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Störungsbilder & Behandlungsmöglichkeiten

Störungen des Sprechens nach Hirnschädigung („Sprechapraxie“)

Die anatomischen Grundlagen der Hirnfunktion und des Sprechens

Die zentrale Planung für die Programmierung von Sprechbewegungen findet - laut derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand - in der linken Hälfte des menschlichen Gehirns statt. Das Gehirn kann in diesem Sinne mit einem Computer verglichen werden: Um einen Sprechvorgang ausführen zu können müssen im Gehirn die entsprechenden Bewegungen der am Sprechen beteiligten Muskelgruppen und Sprechorgane koordiniert werden – die nun geplanten Bewegungsabfolgen werden an die Muskeln weitergegeben und von diesen ausgeführt. Daraus resultierend bewegen sich die Sprechorgane (Lippen, Zunge, Kiefer, Gaumensegel etc.) und formen Laute aus, die in der jeweiligen Sprache zu Wörtern kombiniert werden.

Was versteht man unter einer Sprechapraxie?

Als „Sprechapraxie“ wird die Beeinträchtigung der zentralen Planung und Steuerung von Sprechbewegungen bezeichnet. Die betroffenen Personen „verlieren“ in gewissem Sinne die Erinnerung an die Planung und Ausführung von Bewegungen zum Zwecke der Lautbildung; auch das Zusammensetzen von Lauten zu Wörtern ist dabei in Mitleidenschaft gezogen.

Was sind die Ursachen einer Sprechapraxie?

Eine Schädigung des Gehirns (durch eine Reihe von Faktoren) kann ursächlich für die Ausbildung einer Sprechapraxie sein; u.a. können die nachfolgenden Faktoren eine Sprechapraxie hervorrufen:

  • Schädel-Hirn-Traumen
  • Entzündungen des Gehirns (z.B. Hirnhautentzündung/Enzephalitis)
  • Tumorwachstum in der linken Gehirnhälfte
  • Infektiöse Erkrankungen des Gehirns
  • Auswirkungen von Vergiftungsprozessen (z.B. durch Alkoholismus oder Drogenkonsum)
  • Anfallsleiden (z.B. durch Schlaganfälle oder Epilepsie)
Welche Symptome kennzeichnen eine Sprechapraxie?

U.a. können die folgenden Symptome im Zuge einer Sprechapraxie auftreten:

  • Unterbrechungen des Redeflusses
  • Einschränkungen der Verständlichkeit durch die Ersetzung, Auslassung und Klangveränderung von Lauten im Wort
  • Störungen der Aussprache (fehlerhafte Bildung von Lauten und Wörtern)
  • Beeinträchtigungen der Wortbildung (insbesondere „Funktionswörter“, die Satzstrukturen verbinden → z.B. „und“ oder „deshalb“)
  • „Suchbewegungen“ während des Sprechens (Mitbewegungen der Mimik und Gestik beim Überlegen)
  • erhöhte Sprechanstrengung und Muskelspannung im Gesichts- und Halsbereich
Mein Angehöriger / Meine Angehörige zeigt Anzeichen einer Sprechapraxie. Sollte ich ihn/sie logopädisch behandeln lassen? Was geschieht, wenn ich es nicht tue?

Es bestehen derzeit keine gesetzlichen Verpflichtungen bzw. Vorgaben der Krankenkassen bezüglich der sprachtherapeutischen Behandlung von Störungen des Sprechens nach Hirnschädigung (hier: Sprechapraxie).

Es liegt jedoch in Ihrem eigenen Interesse bzw. dem Interesse Ihres/r Angehörigen, eine logopädische Therapie durchführen zu lassen – beachten Sie bitte in diesem Zusammenhang die Zuzahlungspflicht des Patienten (Personen sind ab Vollendung des 18. Lebensjahres „zuzahlungspflichtig“, siehe „Kosten einer logopädischen Therapie“), sofern dieser nicht bereits von der Zuzahlung befreit ist; alternativ ist es möglich, eine solche Befreiung auch nachträglich bei der zuständigen Krankenkasse zu beantragen.

Erfolgt keine logopädische Behandlung können sich die vorliegenden Symptome verfestigen und weitere Spätfolgen nach sich ziehen. Neben deutlichen Einschränkungen der Satzbildung und des Sprechablaufes kann es auch zum sozialen Rückzug kommen, da die Betroffenen möglicherweise wegen ihrer Beeinträchtigung nicht in der Öffentlichkeit unterwegs sein wollen.
Insbesondere in Anbetracht des möglichen Verlusts der Selbstständigkeit der Betroffenen sollte dieser Aspekt bedacht werden, bevor Sie sich gegen eine Behandlung entscheiden.

Wann sollte ich bzw. ich mit meinem Angehörigen / meiner Angehörigen einen Logopäden aufsuchen?

Wenn Ihnen bei sich selbst bzw. bei Ihrem/r Angehörigen Symptome einer Sprechapraxie auffallen ist es - generell gesprochen - sinnvoll, eine möglichst zeitnahe logopädische Behandlung anzustreben und eine Kontrolluntersuchung durch einen Neurologen bzw. Facharzt durchführen zu lassen (sofern dies nicht bereits geschehen ist).

Wie behandelt ein Logopäde meine/n Angehörige/n, wenn eine Sprechapraxie vorliegt?

Anhand des jeweilig vorliegenden Störungsbildes wird ein individueller, auf den Patienten abgestimmter Therapieplan unter Berücksichtigung der folgenden Kriterien erstellt:

  • das intensive, regelmäßige und ggf. langfristige Stattfinden von Behandlungssitzungen
  • das regelmäßige Wiederholen der stimulierten Bewegungsabläufe (Sprechbewegungen)
  • die Planung einer individuellen Aufgabenabfolge
  • die Arbeit an der Aussprache in Verbindung mit Übungen zur Verbesserung des Stimmklanges
  • die Verbesserung der Selbstwahrnehmung des Betroffenen, insbesondere im Bereich der Oberflächen- und Tiefensensibilität der Muskulatur (sog. „taktil-kinästhetische Wahrnehmung“)
  • die Unterstützung der Fähigkeit zur Selbstkorrektur seitens des Betroffenen
Die Therapieansätze der logopädischen Behandlung von Sprechapraxien

Für die Behandlung von Sprechapraxien existieren verschiedene Therapiekonzepte, die - abhängig vom individuell auftretenden Störungsbild - im Einzelnen oder kombiniert zur Anwendung kommen.
Nachfolgend erhalten Sie einen kurzen Überblick zu den gängigsten Behandlungsansätzen:

  • das „rhythmisch-melodische Therapiekonzept“
    • Hier werden Aussprache und Betonung durch das Hervorheben von Elementen der Rhythmik und Melodik des Sprechvorganges stimuliert (z.B. Betonungsabfolgen und -akzente in Worten, die Pausensetzung bei Satzstrukturen etc.).
  • das „segmentbasierende Therapiekonzept“
    • Im Rahmen dieses Konzepts erfolgt die systematische Arbeit an der Planung der konkreten Elemente eines Wortes (zunächst Einzellaute, dann Silben), bis diese zum Wortganzen zusammengesetzt und gesprochen werden können.
  • der „wortstrukturelle Therapieansatz“
    • Im Zuge dieses Ansatzes steht das „Wortganze“ im Mittelpunkt des therapeutischen Handelns, d.h. die Silbenanzahl und Betonungsmerkmale (sog. „Akzentstruktur“) der zu übenden Worte ist untereinander zunächst gleich, um die Planung und Ausführung der Sprechbewegungen vorerst zu vereinfachen.
  • die „Cueing-Techniken“
    • Die auszuführenden Sprechbewegungen werden durch Reize stimuliert bzw. unterstützt – diese umfassen z.B. die Verwendung von Gesten, Bildmaterialien oder den Einsatz von muskulaturunterstützenden Reizen (wie beispielsweise unterschiedliche Temperaturen oder Vibrationen).
  • die „Strategie der Nutzung augmentativer Kommunikationsmöglichkeiten“
    • In Fällen schwerer Sprechapraxien, z.B. wenn der Betroffene zu keinerlei Sprachproduktion mehr in der Lage ist, können alternative Kommunikationsmöglichkeiten wie beispielsweise Sprachcomputer eingesetzt werden – diese sind auch als Übergangslösung denkbar, bis der Patient sich wieder selbstständig äußern kann.
Die Behandlungsziele der logopädischen Therapie bei Sprechapraxien

In Abhängigkeit des Schweregrades der beim Patienten vorliegenden Sprechapraxie werden verschiedene Behandlungsziele gesetzt:

  • bei leichten & mittelschweren Sprechapraxien:
    • Der Behandlungsfokus liegt hier auf der Verbesserung der sprechmotorischen Fähigkeiten (Deutlichkeit der Aussprache) sowie der Förderung der Sprechnatürlichkeit (Normalisierung des Redeflusses, Sprechtempos und der Betonung).
  • bei schwergradigen Sprechapraxien:
    • Das Augenmerk des Logopäden liegt hier auf der Erarbeitung grundlegender Kommunikationsfähigkeiten (ausgewählte, alltagsrelevante Äußerungen) bzw. dem Angebot von entsprechenden Alternativen (z.B. eines Sprachcomputers).